Die Koalition der Angepassten

Die neue deutsche Bundesregierung aus CDU/CSU/FDP scheint, was die Zusammensetzung ihrer Spitzenpositionen angeht, progressiv wie keine andere weltweit:

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Und das, obwohl sie sich eindeutig als „rechts“ versteht und wohl über weite Teile auch als „wertkonservativ“ (der FDP kann man gesellschaftsliberale Ansätze nicht absprechen, aber definierend ist für sie sicher der Wirtschaftsliberalismus). Wie kann das sein? Warum ist eine rechte Regierung auf den ersten Blick deutlich diverser als es zum Beispiel vor einigen Jahren die rot-grüne Regierung war?

Das ist kein Zufall und, gerade was die Frau an der Spitze angeht, kein Einzelfall: Seit Margaret Thatcher kommen mehr Frauen in politischen Spitzenpositionen aus konservativen Parteien als aus progressiven. Warum?

Weil sie sich anpassen. Merkel ist nie, keine Sekunde, eine Vertreterin der Frauen. Westerwelle ist nie, keine Sekunde, ein Vertreter der Homosexuellen. Schäuble ist nie, keine Sekunde, ein Vertreter der Menschen mit Behinderung. Rösler ist nie, keine Sekunde, ein Vertreter der MigrantInnen. Sie bekämpfen die Machtstrukturen unserer Gesellschaft nicht, sie spielen mit – und sie schaffen es nach vorne, ohne an den Verhältnissen zu rütteln (Bei Schäuble muss es heißen: bleiben vorne.)

Und die progressive Erfolgsstory, auf die die ganze Welt schaut? Nun, Barack Obama ist nie, keine Sekunde, ein Vertreter der ethnischen Minderheiten in den USA. Nur so war er mehrheitsfähig. Und doch ist sein Erfolg  eine Folge der Bürgerrechtsbewegung.

Auch Merkel, Westerwelle, Schäuble und Rösler können diese Regierung überhaupt nur bilden, weil die 68er die Gesellschaft verändert haben. Soll noch jemand sagen, die Geschichte hätte keinen Sinn für Ironie…

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3 Responses to Die Koalition der Angepassten

  1. Joël sagt:

    „Ist es nicht vielmehr ein Zeichen einer toleranten Gesellschaft, wenn die persönlichen Neigungen und ethischen Hintergründen der Kabinettsmitglieder für deren Job egal sind?“

    Das ist richtig, so sollte es sein. Es sollte einfach keine Rolle spielen. Es spielt aber eine Rolle. Und genau deshalb wäre es gut, wenn Merkel, Westerwelle und Co. sich vielleicht nicht so stark anpassen würden, bzw. solche Politiker im Amt wären.

  2. Karpfenpeter sagt:

    Gute Feststellung in deinem Artikel. Je länger ich darüber nachdenke, geht meine Feststellung immer mehr in die Richtung, dass die Politiker sich eigentlich nur noch um ihre persönlichen Karrieren kümmern, als um die Menschen denen sie dienen (sollten (dem Volke)). Das Problem liegt im System begründet. Ich glaube, wenn Politik von Menschen gemacht würde, die sich einen Dreck darum scheren, ob sie in zwei Jahren noch ein Amt bekleiden, oder irgendwas komplett anderen machen, dann wäre vieles besser. Ziel müsste es ja sein einen bestimmten Job besonders gut zu erledigen – und sonst nichts.

  3. bjoernkw sagt:

    Vielleicht ist aber auch einfach so, dass man darüber gar kein Aufhebens machen sollte. Warum z.B. sollte Westerwelle auf derart peinliche Weise mit seiner sexuellen Orientierung Politik machen wie das einst Klaus Wowereit tat?
    Ist es nicht vielmehr ein Zeichen einer toleranten Gesellschaft, wenn die persönlichen Neigungen und ethischen Hintergründen der Kabinettsmitglieder für deren Job egal sind?

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