Es kommt nicht oft vor, dass eine Pressekonferenz mehr über den Zustand der Medien enthüllt, als über den Zustand der Politik. Die Antritts-PK der schwarzgelben Koalition war ein solcher Moment… Als ich mein Projekt Postjournalismus gestartet habe, beschrieb ich das aktuelle Verhältnis von Medien und Demokratie so:
Medien, die die journalistischen Aufgaben ausreichend erfüllen, müssten […] eine kritische Öffentlichkeit herstellen, einen Diskurs, wie er für jede Demokratie lebensnotwendig ist. Sie müssten vierte Macht sein, ein Gegengewicht zu den ersten drei Mächten. Doch in der Postdemokratie sind sie einfach nur Teil des Systems und haben nicht mehr die Kraft, selbst die gravierendsten Fehlentwicklungen durch journalistische Arbeit zu verhindern.
Eine postjournalistische Medienwelt ist nicht erst dann „erreicht“, wenn der letzte Journalist aufgehört hat, kritische Fragen zu stellen. Sie ist schon viel früher erreicht, nämlich dann, wenn selbst kritische Fragen keinerlei Wirkung mehr haben.
Dass der Fragesteller Holländer ist und keinerlei Unterstützung deutscher JournalistInnen bekam, lässt nur noch einen Befund zu: Die vierte Macht in Deutschland ist mausetot. Alle Super-Top-QualitätsjournalistInnen, die den Kollegen hier allein gelassen haben, sollen sich was schämen. Nein, besser: Sie sollten den Job wechseln. Still und mit gesenktem Haupt.
This is beta 0.2
[…] Update: Der Artikel bringt den Zustand unserer Medienlandschaft nochmal sehr gut auf den Punkt: "Postjournalismus live: Deutschlands vierte Macht ist mausetot". Permalink: http://yeahblog.de/200910/164 Kommentar […]
[…] online, neue Jobs ergeben. Und das alles wäre dann auch noch ein Dienst an der Gesellschaft, denn solche Szenen, wie bei der vergangenen Bundespressekonferenz, bei der die neue Koalition in Kameras lächeln und winken durfte, aber für kritische Fragen […]
Der allergrößte Teil der Mitglieder dieser so genannten „Bundespressekonferenz“ sind – wie man in dem YOUTUBE-Video erschüttert mitansehen kann – ganz offenkundig gerne schadenfroh, aber journalistisch leider vollständig „embedded“, d.h. brav und untertan – und machen sich damit im Höchsttempo selbst völlig überflüssig.
Kritische Fragen wie von dem holländischen Kollegen gelten dort doch seit Jahren als „unhöflich“, „inopportun“ und „unangemessen“, in Pawlow’scher Talkshow-Manier werden stattdessen lieber in Schafsmanier die immergleichen Platitüden der immergleichen Selbstdarsteller im immergleichen Gutmenschsprech à la 1984 (oder 1968?) wiedergekäut, Hinterzimmer-Gekungele und Boulevard-Selbstgefeiere ist in, Volksnähe out. Bodenhaftung: Fehlanzeige.
Dass die Bundeskanzlerin unsouverän reagiert („Ich vertraue dieser Person“ = Schäuble!) geschenkt. Dass aber kein einziger deutscher Journalist, Korrespondent, Medienvertreter im Berliner Filzallerlei noch eine solche Frage überhaupt zu stellen wagte, egal, wie berechtigt man diese einschätzen mag: nun, das ist längst kein Armutszeugnis mehr, sondern logische Konsequenz einer in Jahren der Großen Soßenkoalition eingeübten Deformation professionelle einer arrogant-überflüssigen Hauptstadtzunft. Ohne YOUTUBE hätte die deutsche Öffentlichkeit davon überhaupt nicht erfahren – und daß die Welt solcherlei „klassische Medien“ nicht mehr braucht, liegt auf der Hand.
Das ist eine gelungene Kurzanalyse des deutschen Journalismus.
[…] Shared Postjournalismus live: Deutschlands vierte Macht ist mausetot. […]
Word – danke für den Hinweis, das wäre mir entgangen.
Der Blick des Brünetten ist der kollektive deutsche sabbernde feige starrende Blick, der jeden, der nicht mit dem Strom schwimmt beglotzt und der mich vor ein paar Jahren bewogen hat, auszuwandern. In die Niederlande, ein Land, in dem das Gros der Männer noch Eier hat.
auch ich musste kapitulieren und erstmal „blogger-asyl“ in Asien beantragen.
Jetzt moechte ich mich in keinster Weise mit den Polit-Journalisten auf eine Stufe stellen, das ist ne ganz andere Hausnummer, aber jegliches IT-Event in Deutschland wird zu 80% von „Pressemitteilung-Kopierern“ und Schleimscheissern besucht. Ein kritische Frage und die schauen dich genau mit diesem von dir beschriebenen Blick an…. Ne, viel schlimmer noch, du bist der mediale Abschaum fuer die, ein Aussaetziger dessen Content man in lieber Regelmaessigkeit kopiert und als den eigenen ausgibt. Die wahren Copycats sitzen in den Redaktionen der Medienhaeuser, lecken die Stiefel der Industrie und Administration und treten ordentlich nach unten:
[…] Schäubles als Finanzminister an Angela Merkel hat mittlerweile schon einige Kreise gezogen: (DirektVergessen) René hat drüben bei Nerdcore dazu passende Gedanken […]
[…] Postjournalismus live: Deutschlands vierte Macht ist mausetot « beta thoughts a few seconds ago from xmpp […]
…. vielleicht zeigt sich gerade hier die Chance für den Qualitätsjournalisten in Zukunft?
Kritische Fragen stellen, hintergründig recherchieren… An Themen dranbleiben, die in anderen Medien (auch Blogs) längst wieder vergessen wurden???
Das alles sollte aus der Rolle des Berufsjournalisten einfacher funktionieren. Der „Blogger daheim“ hat dafür eigentlich keine Möglichkeiten.
Journalisten sollten wieder ganz vorn dran sein und Neuigkeiten recherchieren, nicht nur Agenturmeldungen kommentieren etc.
Dann hat der Jouernalismus auch einen USP 🙂
wenns so kommt, bin ich der letzte, der was dagegen hat.
was ich rund um mich sehe, sind massive sparprogramme in allen redaktionen, zuletzt auch bei der NYtimes. wo ist der verlag, der jetzt in Qualität investiert?
wo ist der Leser, der nach Qualität verlangt? Ich glaube da liegt das eigentliche Problem, dass viel zu viele eben mit oberflächlichen Journalismus zufrieden sind.
naja die blogger sind nicht wirklich als 4,5. macht oder medium zu bezeichnen, sie geben größtenteils nur ihren senf zu etwas ab, das sie im netz gefunden haben. So wie auch dieser Beitrag hier: das Video hat Phönix produziert, ein gewisser steavor stellte es ins Netz und nun stürzen sich die Blogger wie die Geier drauf und beschwören den Tod vom Journalismus. Wenn, dann ist das der Tod vom Journalismus, nur noch Inhalte von anderen zu kommentieren statt selbst welche zu produzieren oder selbst kritisch nachzufragen.
im übrigen ist der deutsche Journalismus noch weitaus kritischer als der japanische, den ich hier vor Ort grad erlebe. Hier stellen auch die Ausländer die kritischeren Fragen.
Aber nur weil auf ‚einer‘ Pressekonferenz, ‚ein‘ nichtdeutscher Journalist ne kritische Frage stellte, und die deutschen Kollegen nicht, soll das gleich für einen ‚mausetoten‘ Journalismus stehen? Was für eine voreilige und ungerechtfertigte Schulssfolgerung.
a) hier sind sie etwas weit hinten in der debatte, oder? zur diskussion, ob das weiterverbreiten von videos, zitaten, fotos etc. in blogs sich mit journalismus vergleichen lässt, habe ich auch schon meinen senf abgegeben: schauen sie oben nach unter „this is beta“
übrigens: im konkreten fall würde ich in einem klassischen medium den vorfall beschreiben und dann genau so kommentieren. die leserInnen hätten weniger davon.
b) ach, wenns nur ein einzelfall wäre…
zu a) wo debatten geführt werden, ist doch banane. worums geht ist relevanter. ich gebe aber zu, ich bin gewöhnt von oben nach unten zu lesen und dann unten den aktuellsten beitrag zu sehen. ich war etwas irritiert, als mein kommentar dann weit oben stand 😉
und:
ich hab eben nachgeschaut. mein kommentar bezog sich weniger auf diesen blog oder diesen beitrag, sondern eben auf den kommentar unten, und blogs allgemein. von so einem beitrag in einem printmedium hätten die leserinnen, rein von der „senf-geb“-funktion relativ wenig, das ist wahr, da ist ein kommentierbarer blog schon interessanter. aber richtiger journalismus wäre es doch gewesen, den niederländer ein paar fragen zu stellen, oder die journalisten drum herum.
so ist das eben nur ein kommentar, der keine tiefgründigkeit schaffen kann, sondern nur ne meinung wiedergibt und provoziert. allerdings auch nicht unspannend.
b) hm? macht mich neugierig, gibts vergleichbares?
das ist leider das problem in deutschland, denn hier hat die masse noch immer den eindruck, dass bloggen „copy and paste“ bedeutet! Also genau das, was die DPA-Conten-Mafia mit ihren zugeschalteten Redaktionen zu einem perfekten Businessmodell ausgearbeitet haben.
Es ist manchmal echt erschreckend zu sehen, wie sehr die Propaganda der Murdochs, Burdas und Hombachs funktioniert….
schade
DPA-Content-Mafia?
😀
erschreckend finde ich es, wie selbstverliebt einige in ihre eigenen gedanken und schlussfolgerungen sind, und einem anderen verstand, wenn der zu einer anderen meinung gelangt ist, Gehirnwäsche und Manipulation unterstellen.
du kannst von mir aus auch gerne der meinung sein, dass die erde eine scheibe ist, richtiger wird diese dadurch aber nicht.
Wer bloggen mit reiner news aggregierung gleichsetzt, hat es entweder nicht kapiert oder ist genau von den von mir angegebenen personen entsprechend beeinflusst worden.
deine meinung in ehren aber sie ist grundsaetzlich falsch. Genau das was du den bloggern unterstellst, machen die sich gerade in wohlgefallen aufloesenden medien seit jeher: kopieren und kommentieren. wobei letztetes eher selten vorkommt, das uebernimmt dann die dpa ja auch gleich noch mit.
ich denke in ner halben dekade ist der deutsche mainstream auch endlich soweit das zu begreifen. 😉
[…] Postjournalismus live: Deutschlands vierte Macht ist mausetot « beta thoughts a few seconds ago from twitterrific […]
[…] Edit: Einen wirklich wirklich wirklich wirklich lesenswerten kurzen Artikel zur Vorstellung des Koalitionsvertrages bei der Bundespressekonferenz und der Reaktion der anwesenden Journalisten auf die Reaktion Angela Merkels auf die Frage eines holländischen Journalisten fand ich eben bei Michael Reimon. […]
Gähn. Als der Name Schäuble fiel, wurde in anderen Foren genau die Spendenaffaire wiedergekäut. Muh.
Wer wirklich Geldströme untersuchen möchte, sollte zum Buch greifen:
Sascha Adamek, Kim Otto: „Schön reich! Steuern zahlen die anderen“, Heyne Verlag
Und deshalb ist es wichtig und erforderlich das wir immer weiter kritische und auch schon mal peinliche Fragen stellen.
[…] Postjournalismus live: Deutschlands vierte Macht ist mausetot […]
immer noch: was wären wir ohne die westmedien!
@1 (thomas pfeiffer):
… und? ändert das etwas? oder lassen sich mit geschlossenen augen bessere lösungen finden?
ich finde die übertreibung durchaus angemessen. da schwingt auch leidenschaft mit. wie in ihrer äußerung ja auch.
.~.
Hallo,
ich frage mich gerade ernsthaft, ob es nicht angebracht wäre, mehr Ernsthaftigkeit in die Debatte zu bringen.
Was ist denn toter als „mausetot“? Gibt es so etwas? Ich will damit nicht die Fehler von (deutschen) Journalisten kleinreden oder entschuldigen. Aber es ist nun mal nicht förderlich, wenn man behauptet, der (deutsche) Journalismus sei „mausetot“. Weil danach gibt es nichts mehr.
Grüße
Thomas
aber klar, es gibt nach allem noch was.
[…] Eine postjournalistische Medienwelt ist nicht erst dann „erreicht“, wenn der letzte Journalist a… Share and Enjoy: Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden […]
Ich bin sehr froh, dass sich die Blogger hier inzwischen als „4,5. Macht“ verhalten, wenn man es so nennen kann. Was in den klassischen Medien offenbar kein Aufhorchen erregt wird immerhin auf diese Weise trotzdem verbreitet und diskutiert.
Natürlich fehlt der Schritt aus dem Internet heraus und hinein in die Print- und Rundfunkmedien um eine wirklich breite Masse zu erreichen. Aber vor allem die Zeitungen sind inzwischen sehr stark ins Internetgeschehen eingekoppelt. Wenn sie sich keine dauerhafte Konkurrenz der Amateure aufbauen wollen, müssen sie sich um die Interessen und Belange ihrer Kundschaft kümmern.
Leider, bringst du es genau auf den Punkt.
Danke für das sehr schöne Statement. Bringts absolut auf den Punkt.
Danke.